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DGB fordert 8,50 € gesetzlichen Mindestlohn
- Der Kampagnenrat "500 Euro Eckregelsatz" nimmt Stellung

Verteiler: Vorstände der Einzelgewerkschaften und den DGB-Bundesvorstand



Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

einstimmig beschloss der DGB-Bundeskongress am 18.Mai 2010, einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro brutto, statt wie bisher (seit 2006) 7,50 Euro zu fordern.
Wir begrüßen es, dass der DGB damit dem jahrelang ausgeübten Druck nachgibt, die unhaltbare Forderung nach 7,50 Euro endlich fallen zu lassen.
Claus Matecki erklärte für den Bundesvorstand: "Wer in Vollzeit arbeitet, muss soviel verdienen, dass er keine staatliche Hilfe benötigt" (Tagesprotokoll 18.05.2010).
In dieser Allgemeinheit ist die Formel falsch.

a) Da Kindergeld eine staatliche Hilfe ist, die der DGB (zu Recht) nicht ablehnt, müsste es wenigstens heißen "Wer als *Alleinlebender* Vollzeit arbeitet, muss so viel verdienen, dass er keine staatliche Hilfe benötigt". Streng genommen müsste der Lohn von Vollzeitbeschäftigten wenigstens die Unterhaltungskosten eines Kindes enthalten, damit sich ihre Arbeitskraft erhalten kann. Alle bisherigen Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn beziehen sich aber nur auf die Unterhaltungskosten der individuellen Arbeitskraft selbst, liegen also unter den Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft insgesamt. Mit dem gesetzlichen Mindestlohn können nicht alle Ansprüche auf staatliche Hilfe ausgeschlossen werden.

b) Zu fordern, dass der gesetzliche Mindestlohn in jedem Einzelfall Hartz IV ausschließen muss, ist unsinnig. Der gesetzliche Mindestlohn muss sich auf den *durchschnittlichen* Hartz-IV-Bedarf eines Alleinlebenden beziehen, nicht auf den individuellen Anspruch. Konkret heißt das, er muss sich auf einen Bedarf in Höhe des Eckregelsatzes plus der *durchschnittlichen* Warmmiete beziehen. Es weckt übertriebene Hoffnungen, mit Hilfe eines gesetzlichen Mindestlohns alle individuellen Ansprüche auf Hartz IV ausschließen zu wollen. Der gesetzliche Mindestlohn muss also im Durchschnitt die Inanspruchnahme von Hartz IV ausschließen.

c) Der Ausschluss staatlicher Hilfe kann sich nicht auf das in seiner Höhe völlig unzureichende gegenwärtige Hartz-IV-Niveau beziehen. Er muss sich auf das *angestrebte Niveau* der Grundsicherung beziehen. Nach langem Zögern hatte sich der DGB für eine Erhöhung des Eckregelsatzes auf 420 Euro ausgesprochen, beim Mindestlohn die Forderung nach 7,50 Euro aber beibehalten. Damit forderte der DGB objektiv ein Nettolohniveau für Alleinstehende *unterhalb* des angestrebten Hartz-IV-Bedarfs. Mit einer 38,5-Stundenwoche kommt man bei 7,50 Euro brutto auf ein Nettoeinkommen von 938 Euro. Der durchschnittliche angemessene Hartz-IV-Bedarf bei einem Eckregelsatz von 420 Euro liegt jedoch bei 1.058 Euro, selbst bei den gegenwärtigen 359 Euro noch bei 997 Euro. Der DGB nimmt mit der 8,50-Euro-Forderung endlich Abstand von einer Forderung, die noch unterhalb des aktuellen durchschnittlichen Hartz-IV-Niveaus eines Erwerbstätigen lag.

d) Mit der Forderung nach 8,50 Euro fordert der DGB jetzt einen gesetzlichen Mindestlohn, der in etwa auf dem angestrebten Hartz-IV-Niveau liegt. 1.033 Euro netto entsprechen in etwa dem geforderten durchschnittlichen Hartz-IV-Bedarf von 1.058 Euro. Es sei vorweg angemerkt, dass die Forderung nach einem Hartz-IV-Eckregelsatz von 420 Euro z.B. die Mangelernährung akzeptiert, die mit dem Tagessatz von 3,94 Euro für Nahrungsmittel und nicht-alkoholische Getränke vorgegeben ist. Ferner muss nach unserer Meinung der gesetzliche Mindestlohn jedoch *deutlich über* dem geforderten durchschnittlichen Hartz-IV-Niveau eines Alleinlebenden liegen. Das wäre bei einem Eckregelsatz von 420 Euro erst bei einem gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro brutto der Fall.

e) Matecki stellte fest, dass sich der DGB bei seiner Forderung "am europäischen Niveau orientieren" müsse. Genannt werden Frankreich mit 8,86 Euro Mindestlohn und Luxemburg mit 9,73 Euro. Bei Vergleichen von Löhnen verschiedener Länder muss aber die Arbeitsproduktivität berücksichtigt werden. Was Rudolf Welzmüller für die IG-Metall-Vorstandsverwaltung Ende 2007 in Bezug auf den Lohnvergleich zwischen Ländern geschrieben hat, gilt auch für den internationalen Vergleich gesetzlicher Mindestlöhne. "Die Angaben über die bloßen Arbeitskosten je Stunde sind für eine ...international vergleichende Gegenüberstellung .. nur in beschränktem Maße tauglich. Es müssen noch das Niveau und die jährliche Entwicklung der Arbeitsproduktivität hinzugenommen werden" (Arbeitskosten - Europa und Deutschland, Frankfurt November 2007, 7). Die Lohnstückkosten lagen 2007 in Deutschland rund zehn Prozent unter denen von Frankreich (Rundbrief Joachim Jahnke 27.5.2010 Tabelle 15166 nach Angaben der OECD). Seitdem ist die Schere noch weiter auseinander gegangen. Die höhere Produktivität erfordert also in Deutschland einen um mindestens zehn Prozent höheren gesetzlichen Mindestlohn als in Frankreich. Die Forderung des DGB muss *über* dem französischen Mindestlohnniveau liegen, d.h. bei mindestens zehn Euro brutto. Wir gehen nicht davon aus, dass die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland dem deutschen Kapital Wettbewerbsvorteile verschaffen soll. Denn wenn die Arbeitsproduktivität bei der Festsetzung des gesetzlichen Mindestlohns nicht berücksichtigt wird, verschafft sich Deutschland Vorteile z.B. gegenüber Frankreich. Der internationale Vergleich spricht also gegen eine Forderung von 8,50 Euro. Er macht eine Forderung von mindestens zehn Euro zwingend.

f) Matecki behauptet, die Forderung von 8,50 Euro würde "Schutz vor Lohndumping" bedeuten. Es gehe darum, mit dem Mindestlohn Lohndumping zu verhindern. Auch das halten wir für ein übertriebenes Versprechen. Mit der Forderung nach 8,50 Euro, aber auch mit der nach zehn Euro würde Lohndumping nur eingeschränkt, nicht unterbunden. Lohndumping bei allen den Mindestlohn übersteigenden Löhnen kann durch einen Mindestlohn von Haus aus nicht verhindert werden. Die illegale Unterbietung des Mindestlohns wird durch den Mindestlohn selbst ebenfalls nicht verhindert. Lohndumping setzt voraus, dass Menschen ihre Arbeitskraft auf einem Arbeitsmarkt in Konkurrenz zu einander verkaufen müssen. Das führt auch zur Bereitschaft, sich zu unterbieten. Lohndumping setzt ferner das Profitinteresse der Käufer der Ware Arbeitskraft voraus, das sich in Lohndumping ausdrückt, d.h. in der Bereitschaft, Tarife und Mindestlohnbestimmungen zu brechen oder zu umgehen. Auf dieser Grundlage kann Lohndumping nicht beseitigt, sondern allenfalls nur eingeschränkt werden.

Wir stellen also fest, dass die neue Forderung des DGB nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro nicht nur zu niedrig ist, sondern dass ihr auch Wirkungen nachgesagt werden, die sie gar nicht haben kann.

Das Bündnis 500 Euro Eckregelsatz sieht sich in seiner Forderung bestätigt, einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro zu fordern, der, da er das soziale Existenzminimum eines alleinlebenden Erwerbstätigen bedeutet, auch nicht mit Lohnsteuer belegt werden darf.


Mit kollegialen Grüßen

Martin Behrsing (Erwerbslosen Forum Deutschland)
Frank Eschholz (Soziale Bewegung Land Brandenburg)
Frank Jäger (Tacheles Sozialhilfe)
Rainer Roth (Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne)
Edgar Schu und Helmut Woda (Aktionsbündnis Sozialproteste)

Kampagnenrat des Bündnisses 500 Euro Eckregelsatz
http://www.500-euro-eckregelsatz.de


Kontakt:
Edgar Schu
Koordinator ABSP (Aktionsbündnis Sozialproteste)
Weeender Landstraße 97, 37075 Göttingen
Email: edgar.schu@die-soziale-bewegung.de,
Tel.: 0551 99 64 381



Anlagen

Tabellarischer Vergleich "Hartz-IV-Niveaus - Mindestlöhne":
http://www.500-euro-eckregelsatz.de/mat/Vergleich_Hartz-IV_Mindestlohn_2010-06.pdf

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Stand:12. Dezember 2012