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Buchbesprechung: Nebensache Mensch

Oder: Warum verhalten sich Arbeitnehmer nicht wie Bananen?

Von Sigrid Lehmann-Wacker

 August 2010

„Das Problem Arbeitslosigkeit muss durch die Senkung der Arbeitslosenunterstützungen angegangen werden. Dadurch sollen die 4,7 Millionen Arbeitslosen einen Anreiz bekommen, die 390.000 freien Stellen zu besetzen.“, schreibt Rainer Roth zynisch in seinem vielfach als „Standardwerk“ bezeichneten Sachbuch „Nebensache Mensch“ (2003). Sieben Jahre nach Erscheinen ist das Werk aktueller denn je, ein wahrer Schatz an Information und Entlarvung gezielter Desinformation seitens Politikern und Medien. Der emerierte Professor für Sozialwissenschaften aus Frankfurt führt die Mythen, dass das wachsende Heer von Arbeitslosen selbst an seiner Lage schuld sei, ad absurdum. Mythen, die seiner Meinung nach die Manager aus Wirtschaft und Politik verbreiten. Mit Erfolg:

Buchbesprechung: Nebensache Mensch Oder: Warum verhalten sich Arbeitnehmer nicht wie Bananen?

Von Sigrid Lehmann-Wacker

"Das Problem Arbeitslosigkeit muss durch die Senkung der Arbeitslosenunterstützungen angegangen werden. Dadurch sollen die 4,7 Millionen Arbeitslosen einen Anreiz bekommen, die 390.000 freien Stellen zu besetzen.", schreibt Rainer Roth zynisch in seinem vielfach als "Standardwerk" bezeichneten Sachbuch "Nebensache Mensch" (2003). Sieben Jahre nach Erscheinen ist das Werk aktueller denn je, ein wahrer Schatz an Information und Entlarvung gezielter Desinformation seitens Politikern und Medien. Der emerierte Professor für Sozialwissenschaften aus Frankfurt führt die Mythen, dass das wachsende Heer von Arbeitslosen selbst an seiner Lage schuld sei, ad absurdum. Mythen, die seiner Meinung nach die Manager aus Wirtschaft und Politik verbreiten. Mit Erfolg: Assoziierten 1981 noch die Hälfte der Befragten bei einer Umfrage des Allensbacher Instituts Arbeitslosigkeit mit Faulheit, waren es nach dem Allensbacher Bericht 2001 schon zwei Drittel(!). Auf die aktuelle Situation bezogen: Nach einer Studie "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" der Universität Bielefeld glauben inzwischen sogar 52%, Ursache für die Finanzkrise seien die, die den Sozialstaat ausnutzen.

Roth: "Das Faulenzergeschrei dient Unternehmen und ihren Helfern dazu, sich mit staatlichem Zwang billige und willige, d.h. eingeschüchterte Arbeitskräfte zutreiben zu lassen." Weiterhin macht sich Rainer Roth darüber lustig, dass ausgerechnet diejenigen, die ihr Kapital für sich arbeiten ließen, die "besitzenden" Faulenzer sozusagen, sich über den Egoismus und die Faulheit nichtbesitzender Bürger aufregen würden, welche "nicht bereit sind, für 5 Euro die Stunde zu arbeiten, nur um die Staatskassen zu entlasten, an der sich andere bedienen". Die Millionen Euro, die dem Staat wegen vermutlich "missbräuchlich" gezahlter Sozialleistungen durch die Lappen gingen, ständen immerhin Milliardenverluste durch Steuerhinterziehungen gegenüber. "Politiker gewähren sich Arbeitslosengeld auf Lebenszeit, wenn sie als politische Beamte entlassen werden. Manager bewilligen sich millionenschwere Abfindungen und Übergangsgelder, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. [...] Unternehmer entnehmen ihren Betrieben, was das Zeug hält. Und für das Meiste haben sie nicht selbst gearbeitet. Verantwortung für die Gemeinschaft wird nur den LohnarbeiterInnen und den Arbeitslosen gepredigt."

Eigentlich sei es ja auch irrsinnig, dass mit einem enormen Anstieg des technischen Fortschritts und der Produktivkraft sich nicht ein schöneres und leichteres Leben für alle einstelle. Stattdessen sinke der Lebensstandard für das Gros der Bevölkerung - nicht nur in den armen Regionen der Welt, sondern inzwischen auch in den wohlhabenden Industriestaaten. Roth tritt dafür ein, dass diejenigen, welche Arbeitslosigkeit, Armut und Staatsverschuldung verursachen - vornehmlich die Banken und Konzerne - auch für die Folgen gerade stehen sollten. Er belegt, dass Lohnsenkungen die Arbeitslosigkeit nicht verringere. Diese hängt mit der mangelnden Nachfrage des Kapitals an Arbeit zusammen und entwickle sich völlig unabhängig von der Lohnhöhe.

Laut Roth erzeugt die Kapitalverwertung das verrückte Gesetz, dass sie in der Regel umso schwieriger wird, je produktiver die LohnarbeiterInnen sind. Das "Jobwunder" USA wird in dem Buch als eines der vielen Märchen des Kapitals entlarvt. Es habe "seine Ausläufer im Wunder, wie man trotz Hunger noch arbeiten" könne. Außerdem wäre die wirkliche Arbeitslosenquote nach Lester Thurow 2 ½-mal so hoch wie die offizielle. In den USA wurden zur damaligen Zeit z.B. Menschen schon als "erwerbstätig" erfasst, wenn sie eine Stunde die Woche bezahlte Arbeit verrichten. In Deutschland galt man auch dann noch als arbeitslos, wenn man bis zu 15 Stunden wöchentlich arbeitet und nicht mehr als 325 Euro verdient.

Professor Roth zeigt in seinem Buch die komplizierten Mechanismen des Kapitalismus auf, die zu steigender Arbeitslosigkeit und tendenziell fallenden Profitraten führen.

Das Lohndumping wird mit der eben gesunkenen Nachfrage an Arbeitskräften gerechtfertigt. Der Ehrenvorsitzende der FDP, Graf Lambsdorff, damals Aufsichtsrat bei VW, erklärte der Bevölkerung in der BILD-Zeitung: "Wenn Ihnen als Hausfrau im Laden oder auf dem Wochenmarkt ein Stück Käse zu teuer ist, lassen Sie es liegen. Genauso macht´s der Arbeitgeber: Er stellt einfach keine neuen Mitarbeiter ein, wenn sie zuviel kosten (...) Für niedrigere Löhne gibt es genug Arbeit." (1). Also empfehlen die Gläubigen der freien Marktwirtschaft: "bei der Belebung des Marktes doch genauso zu verfahren, wie man bei der Belebung des Marktes für Bananen verfahren würde." ²- Das Preisniveau für Käse und Bananen würde schließlich auch von Angebot und Nachfrage bestimmt, die unverkäuflichen Arbeitskraftwaren sollen sich endlich bescheiden wie eine Banane verhalten. Sie sollen zu Billigstpreisen verschleudert, aufgegessen und weggeworfen werden, ohne vom Leben allzu viel zu erwarten. Rainer Roth möchte Menschen nicht auf einer Stufe mit Bananen sehen. Im Gegensatz zu Bananen brauchten Menschen auch bei Nichtbedarf auf dem Markt weiterhin Geld für Miete, Nachwuchs, Bildung. Und es liegt seiner Meinung nach an ihnen selbst, sich dagegen zu wehren, als Nebensache behandelt zu werden oder nicht.

Rainer Roth, geb.1944, Professor für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Frankfurt, Vorsitzender von Klartext e.V. (www.klartext-info.de) Wetiere Veröffentlichungen u.a.: "Das Kartenhaus" Ökonomie und Staatsfinanzen in Deutschland "Über den Lohn am Ende des Monats", eine Untersuchung über den Lebensstandard von Lohnabhängigen "Über den Monat am Ende des Geldes", eine empirische Untersuchung über das Leben mit Sozialhilfe sowie Autor und Herausgeber zahlreicher Leitfäden u.a.

Roth hat dieses Jahr ein neues Buch herausgebracht: "Rente mit 60 - nicht erst ab 67/70!" KLARtext e.V. (Hrg.) Die "Rente mit 60!" gehört wie die oben genannten Titel zum Katalog gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die abhängig Beschäftigten. (1)BILD 29.04. 1985 ² Professor des Kronberger Kreises nach: Noelle-Neumann, Gillies 1987, 72

 
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