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Selbst das kleinste Bisschen ist den Arbeitgebern zuviel.

Kommentar von Tobias Weißert, 12.2013

Vier rentenpolitische Vorschläge enthält der Koalitionsvertrag:

1. Merkel will ihr Versprechen einlösen und den Rentnerinnen, die vor 1992 Kinder geboren haben, ab 1.Juli 2014 einen Entgeltpunkt mehr(28,14 Euro alte Bundesländer und 25,74 Euro neue Bundesländer) zur Rente zukommen lassen.

2. Es soll ab 2017 eine “solidarische Lebensleistungsrente“ eingeführt werden. Wer 40 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt und dennoch weniger als 30 Entgeltpunkte erzielt hat, erhält eine Aufstockung seiner Rente auf ca. 850 Euro. Ab 2023 muss man allerdings auch noch mindestens 5 Jahre lang betrieblich oder privat in eine Zusatzrente eingezahlt haben.

3. In der Erwerbsminderungsrente soll die Zurechnungszeit um 2 Jahre auf 62 Jahre erhöht werden.

4. Auf Druck der SPD kann zukünftig mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen, wer 45 Versicherungsjahre aufweisen kann.

Gegen diese bescheidenen Maßnahmen laufen die Arbeitgeber Sturm. Insgesamt kosteten die geplanten Maßnahmen zu Rente und Pflege 23 Milliarden allein für den Bundeshaushalt (FAZ 28.11.13) und das sei nicht finanzierbar.

Besonders die Mütterrente sei viel zu teuer. Der neue Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer rechnet vor, das “Geschenk“ koste im ersten Jahr 6,5 Milliarden und summiere sich bei steigender Tendenz zu 130 Milliarden Euro bis 2030 (FAZ 29.11.13).

An dieser Rechnung ist alles falsch. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Zahl von 6,5 Mrd. Euro richtig wäre, ergäbe das in 16 Jahren nur 104 Mrd. Euro. Aber auch die 6.5 Mrd. Euro sind frei erfunden und durch keine Fakten hinterlegt. Absurd ist die “steigende Tendenz“, die Kramer behauptet. Gerade umgekehrt wird ein Schuh daraus, denn die Geburtenrate ist seit 1965 sinkend und spätestens in 20 Jahren nimmt auch die Zahl der berechtigten Mütter Jahr für Jahr ab, um ca. in 40 Jahren ganz auszulaufen. Selbst die Frauenbeauftragte der CDU, Maria Böhmer, sah sich genötigt, dem BDA - Präsidenten zu widersprechen und gab die Kosten bis 2030 mit weniger als 90 Mrd. Euro an (FAZ 30.11.13). Selbst das ist noch recht hoch gegriffen. Aber die Zahl 130 Milliarden, von der Presse begierig aufgegriffen und in Überschriftgröße gedruckt, lebt ihr propagandistisches Eigenleben in Zeitschriften und Talkshows, von der Wahrheit unbeleckt.

Noch fieser ist das Gemeckere über die geringfügige Anpassung der Erwerbsminderungsrente. Diese ist skandalös niedrig. Wer 2012 in diese Rente gehen musste, erhielt im Durchschnitt 647 Euro.

Wer seit 2001 vor dem 60. Lebensjahr diese Rente bezieht, muss Abschläge von 10,8 % von der Rente hinnehmen, weil das Bezugsalter auf 63 Jahre festgelegt wurde. Durch die zwei Jahre Zurechnungszeit, die der Koalitionsvertrag vorsieht, wird die abschlagsfreie Zeit auf 62 Jahre erhöht. Das klingt ganz gut, ist in Wirklichkeit aber eine Mogelpackung, denn das Bezugsalter ist schon 2012 von 63 auf 65 Jahre angehoben worden, so dass für die meisten RentnerInnen der Abschlag gleich hoch bleibt. Nur diejenigen, die schon 35 Jahre Pflichtbeiträge geleistet haben, profitieren von der Regelung. Deren Zahl ist überschaubar und so sind auch die Kosten dieser „Reform“ bescheiden .

Auch die „solidarische Lebensleistungsrente“ besitzt wenig Substanz. Diese betrüge heute in den alten Bundesländern 844 Euro brutto und nach Abzug der Sozialversicherung 756 Euro netto, in den neuen Bundesländern 772 brutto und ca. 700 Euro netto. Sie bekommt, wer 40 Versicherungsjahre hat. Ab 2023 müssen dazu noch mindestens 5 Jahre Beiträge zu einer Zusatzversicherung nachgewiesen werden. Dadurch vermindert sich die kleine Zahl der Antragsberechtigten noch weiter. Hinzukommen soll noch eine Bedürftigkeitsprüfung. Spätestens da fragt man sich: Was unterscheidet diese Rente eigentlich von der Grundsicherung im Alter?

In der Wirkung kaum. Schon heute hat eine Rentnerin mit Mehrbedarf einen Leistungsanspruch von 827 Euro, wenn man die Warmmiete mit 380 Euro ansetzt. Die neuen Kosten, die durch diese Rente entstehen, würden durch wegfallende Kosten bei der Grundsicherung nahezu vollständig kompensiert. Der einzige Vorteil für die RentnerInnen, denen man "Solidarität“ gewährt, wäre der Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung. Aber nicht mal das soll erlaubt sein. Wahrlich ein großartiges sozialdemokratisches Verständnis von “Solidarität“, das mit Regierungsämtern belohnt werden muss.

Woher Arbeitgeberpräsident Kramer die milliardenschweren Lasten nimmt, die diese Rente verursache, bleibt ein weiteres Rätsel.

Wer 45 Versicherungsjahre hat, soll zukünftig mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Neben der Mütterrente ärgert das die Arbeitgeber am meisten, denn die Zahl der Werktätigen, die davon Gebrauch machen können, ist relativ groß

Hier spielen sich die Arbeitgeber plötzlich als Sachwalter der kleinen Leute auf:

Mit der abschlagsfreien Rente mit 63 (werde) ausgerechnet ein Privileg für jene geschaffen, die ohnehin hohe Renten bezögen“ (FAZ 29.11.13). Die Bemerkung ist nicht ganz daneben, kommt aber von der falschen Seite. Denn die Arbeitgeber möchten nicht, dass Facharbeiter, die sie gerne weiter ausbeuten wollen, früher in Rente gehen. Und sie wollen nicht, dass die Rente mit 67 auch nur in Ansätzen unterminiert wird. In Wirklichkeit streben sie jetzt schon nach der Rente mit 69. Dazu hat ihre “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, die Vordenker-Lobby der Großindustrie, am 18. Juni 2013 eine Studie veröffentlicht, die die Forderung nach schrittweiser Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus begründet. Auch das letzte Gutachten der fünf „Wirtschafts-Weisen“ stellt diese Forderung auf. Es wird im Bewertungspapier von BDA und BDI vom 21.11.2013 zustimmend so zitiert: “Um die finanzielle Stabilität der GRV langfristig zu sichern, sollte das Renteneintrittsalter ab dem Jahr 2029 regelgebunden weiter ansteigen“.

Die Arbeitgeber bekämpfen die kleinsten Reformvorhaben der Koalition und legen dabei den Schwerpunkt auf deren “Unfinanzierbarkeit“. Dass selbst die Junge Welt die Zahlen der Arbeitgeber ungeprüft wiedergibt und mit ihnen die ungedeckte Finanzierung beklagt (Junge Welt vom 28.11.13), überrascht und wirft Fragen auf. Da gegenwärtig noch kein Reförmchen durch ist, ist es taktisch richtig, deren Durchsetzung zu verlangen und aufzuzeigen, dass sie nicht genügen.

Auch die Mütterrente stellt noch nicht alle Mütter gleich. Deswegen ist zu verlangen, dass wie bei den Müttern, die nach 1992 geboren haben, drei Rentenjahre pro Kind anerkannt werden.

Bei der Erwerbsminderungsrente sind dringend alle Abschläge zu streichen.

Bei der angeblich „solidarischen Lebensleistungsrente“ darf es keine Bedürftigkeitsprüfung geben.

Die Rente mit 67 muss grundsätzlich zurückgenommen werden.

Das wären dann kleine Reförmchen, die wenigstens diesen Namen verdienten.

Das Problem der massenhaft entstehenden Altersarmut durch fortlaufende Rentenkürzungen und immer längere Lebensarbeitszeiten, die wieder zu erhöhten Abschlägen führen, wird damit überhaupt nicht angegangen.

Unsere Forderungen nach einer Mindestrente von 1000 Euro (lohnsteuerfrei) und der Rente mit 60 für alle sind das richtige Gegenprogramm.

 
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Stand:11. Dezember 2013