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Unsere Existenz ist bedroht! 
Vortrag von Rainer Roth auf dem 7. Erwerbslosenparlament, 29.10.2004
 
 
 
I)
Senkung der Sozialhilfe ist das Ziel des Kapitals, zunächst um mindestens 25%
Viele Jahre forderten Arbeitgeberverbände die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Es ist geschafft.
SPD und Grüne vollstreckten diesen Wunsch, auch wenn sie vor der Wahl das Gegenteil erklärt hatten. Sie verwandeln 3,3 Millionen Arbeitslose und ihr 2 Millionen Familienangehörigen in Sozialhilfeempfänger. Im Namen der Gerechtigkeit. Denn die schreiende Ungerechtigkeit, dass langzeitarbeitslose ArbeitslosenhilfebezieherInnen oft mehr haben als langzeitarbeitslose SozialhilfebezieherInnen musste unbedingt beseitigt werden.
Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, getarnt als Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, ist der Kern von Hartz IV. Deswegen haben sich viele Menschen auf den Montagsdemonstrationen grundsätzlich gegen Hartz IV ausgesprochen.
 
Seit längerem fordert die Dachorganisation aller Unternehmen in Deutschland, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), die Senkung der Sozialhilferegelsätze um 25%.
Der von der Bundesregierung berufene Sachverständigenrat schlägt die Senkung des Regelsatzes für arbeitslose Erwerbsfähige sogar um 30% vor.
 
Zur Zeit bedeutet Sozialhilfe, dass man offiziell etwa 4,60 Euro am Tag für Ernährung, Getränke und Verzehr außer Haus zur Verfügung hat, 50 Cent für Verkehrsmittel und 62 Cent für Freizeitvergnügen.
So komfortabel liegt man in der Hängematte.
Die Zukunft soll also bei rd. 3 Euro am Tag für Ernährung, 35 Cent für Verkehrsmittel usw.. liegen?
Andere wollen die Sozialhilfe sogar halbieren: auf 2,30 Euro täglich für Ernährung.
 
"Unsere Existenz ist bedroht", heißt das heutige Motto.
In der Sozialhilfe wird in der Regel ein Niveau von 25% unterhalb des Regelsatzes als "das zum Lebensunterhalt Unerläßliche" bezeichnet. Nahezu alles, was im Regelsatz der Teilnahme am kulturellen Leben und den Beziehungen zur Umwelt dient, ist dann gestrichen, also z.B. Fahrtkosten, Kosten für Kommunikations- und Informationsmittel. Auch Genußmittel würden dann komplett entfallen.
All das ist erläßlich. Unerläßlich wären im Wesentlichen nur die Mittel für das bloße physische Existieren incl. Körperpflege.
 
Wenn die Pläne des Kapitals durchgesetzt werden können, würde das Unterstützungsniveau in Richtung physisches Existenzminimum fallen. Bislang dient die Senkung um 25% nur als vorübergehende Strafe. Nächstes Ziel des Kapitals aber ist, die Strafe zum Dauerzustand für alle zu machen.
 
Die Bundesregierung hat ernsthaft über die Senkung der Regelsätze um 25% nachgedacht. Sie hat es nicht gewagt. Noch nicht.
Aber sie hat das neue ALG II schon unter das bisherige Sozialhilfeniveau gesenkt, nur eben typisch sozialdemokratisch, d.h. "sozialverträglich", so dass man es nicht so leicht merkt. Die offizielle Propaganda erzählt, das Niveau von ALG II läge über dem SH-Niveau. Eine der zahlreichen Desinformationen, um die Opfer des Sozialabbaus an Protesten zu hindern und den sozialen Frieden zu wahren.
 
 
II)
Neuer Regelsatz des ALG II liegt unter dem bisherigen Sozialhilfeniveau
 
* Bedarf an Einmaligen Beihilfen gesenkt
Der neue Regelsatz (RS) enthält die meisten Einmaligen Beihilfen (EB) in pauschalierter Form. Deshalb ist er höher als der alte, der sie nicht enthielt.
Aber: die Pauschalierung wurde nicht eingeführt, um Kosten zu erhöhen, sondern um sie zu senken.
Die Gesamtheit der heute noch als Bedarf anerkannten EB ist höher als die neuen Pauschalen ab 2005, insbesondere bei Kindern.
Der Regelsatz wird also trotz einer nominalen Erhöhung real gekürzt. (vgl. Helga Spindler, info also 4/2004)
 
-> Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Mummert und Partner über die bisherige Experimente mit der Pauschalierung kamen 2/3 der befragten SozialhilfebezieherInnen nicht mit den Pauschalen aus. Man kann eben nicht z.B. 1,50 Euro mtl. für den Ersatz einer Waschmaschine ansparen und alle möglichen anderen Ansparbeträge für andere Teile der Wohnungsausstattung. Deshalb sind in der Sozialhilfe jetzt noch zusätzliche einmalige Beihilfen möglich, ohne Rückzahlungspflicht.
 
Ab 1.1.2005 wird das nur noch bei "unabweisbarem Bedarf" und nur noch als Darlehen möglich sein, das bis einer Höhe von 10% des RS, also von 33,10 Euro, sofort vom Regelsatz abgezogen wird. Das ist bislang untersagt, da das Existenzminimum nur bei Strafen unterschritten werden darf.
 
* Regelsatz real gekürzt
Mit dem ALG II - Regelsatz eines Alleinstehenden sind die Wasserkosten in Zukunft abgedeckt, die heute noch als Mietnebenkosten getragen werden. So ist es der Regelsatzverordnung und ihrer Begründung zu entnehmen.
Die Zuzahlungen für Medikamente, Krankenhausaufenthalte, Praxisgebühren usw. sind jetzt bis zu einer Höhe von 2% von 345 bzw. 331 Euro mtl. im Regelsatz drin, nicht mehr nur in Höhe von 2% von z.B. 297 Euro (Westen) oder 282 Euro in MVP. Der Regelsatz wird real um einen weiteren Euro abgesenkt. Er kann dadurch im schlechtesten Fall um 70-80 Euro innerhalb eines Monats sinken. Außerdem muss man nicht verschreibungspflichtige Medikamente, Brillen und Brillengläser, Hörgeräte uw., alles was die Kasse nicht mehr zahlt, vom Regelsatz zahlen. In Zukunft auch den Zahnersatz?
Die Einbeziehung in die Krankenversicherung ist für SozialhilfebezieherInnen eine Verschlechterung gegenüber der früheren Krankenhilfe, die noch zusätzliche Leistungen bei medizinischer Notwendigkeit vorgesehen hatte.
 
Vom Regelsatz müssen Bewerbungskosten vorgelegt werden, Fahrtkosten zu Bewerbungsgesprächen. Die Anforderungen daran erhöhen sich mit den vorgesehenen Eingliederungsvereinbarungen.
 
Die Regelsätze von Kindern zwischen 7 und 17 Jahren sind gesenkt worden. Der RS eines Kindes unter 7 Jahre ist erhöht worden, dafür aber ist der Kindergeldfreibetrag von 10,25 Euro gestrichen und das Niveau der Einmaligen Beihilfen bei Kindern unter 7 Jahren besonders stark abgesenkt worden.
 
Tatsäche Miet- und Heizungskosten werden in der Regel nur noch ein halbes Jahr bezahlt
Die Maßstäbe für die Angemessenheit von Mieten werden überall abgesenkt. In Mannheim wurde die Angemessenheit von 6 Euro/qm auf 4,60 gesenkt, die angemessene Wohnungsgröße von 45 auf 41 qm. Das Bundesverfassungsgericht hält 30 qm für das Existenzminimum.
Die Kommunen und Landkreise müssen nachwievor die Kosten der Unterkunft zahlen (jetzt auch für die ArbeitslosenhilfebezieherInnen). Sie haben aufgrund ihrer schweren Finanzkrise ein starkes Interesse an der Senkung der Angemessenheitskriterien.
Die nicht anerkannten Miet - und Heizkostenanteile müssen dann vom Regelsatz gezahlt werden.
 
Treten Mietschulden auf, können sie in Zukunft nur noch als Darlehen übernommen werden, "wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht und hierdruch die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert würde." (§ 22 Abs. 5 SGB II) Auch die Drohung mit Wohnungslosigkeit wird aufgebaut, um die Aufnahme von Billigjobs zu erzwingen. (Dazu später)
 
Die Vermögensfreigrenzen wurden zwar für Sozialhilfe- und ArbeitslosenhilfebezieherInnen angehoben. Die unteren 20% der Einkommenspyramide haben aber im Durchschnitt kein Vermögen, sondern Schulden.
 
In der Regierungserklärung verlauteten Schröder und sein Kabinett:
"Unser Motto lautet: Egoismus überwinden - Gemeinsinn fördern." Wenn also Arbeitslose in Zukunft noch weniger über die Runden kommen, dann können sie sich damit trösten, dass es der Überwindung ihres Egoismus dient. Und auch dazu, Deutschland ökonomisch und sozial wieder an die Weltspitze zu bringen. Das ist ja das Ziel der Agenda und von Hartz IV. Durch Sozialabbau sozial an die Weltspitze?
 
Arbeitgeberpräsident Hundt verlangt schon die Absenkung des Regelsatzes des ALG II, bevor auch nur ein einziger Euro dafür ausbezahlt wurde. Er will noch schneller an die Weltspitze.
Der "klügste Professor Deutschlands" (BILD), Hans Werner Sinn, fordert schon, die Regelleistung des ALG II in Höhe von 345 Euro abzuschaffen und ALG II auf den Mietzuschuss zu beschränken.
(Hans Werner Sinn, Ist Deutschland noch zu retten, München 2003, 202) Er will, dass arbeitsfähige SozialhilfebezieherInnen entweder hungern oder unter den Bedingungen arbeitet, die das Kapital diktiert.
Die Bundesregierung kann sich dem nicht ganz verschließen. Sie verwirklicht das zunächst nur bei Jugendlichen unter 25 Jahren und auch nur dann, wenn sie z.B. Trainingsmaßnahmen, Praktika oder Arbeitsgelegenheiten verweigern. Sie gesteht aber immerhin noch Sachleistungen zu.
Hartz IV ist nur ein kleiner Schritt in die Richtung, die das Kapital gehen will, nur ein Durchgangsstadium zu weiteren massiven Kürzungen der Unterstützung. Hartz IV ist kein Schritt in die richtige Richtung, wie z.B. die Spitzen der christlichen Kirchen vertreten. Jedenfalls für die Lohnabhängigen nicht, für das Kapital aber schon.
 
 
III)
Warum kein Mitgefühl bei Regierung und Kapital mit Arbeitslosen?
Die sollten auch mal von Sozialhilfe leben, denken viele. Dann würden sie vielleicht zur Besinnung kommen.
Aber: das mangelnde Mitgefühl der Manager aus Wirtschaft und Politik, beruht nicht in erster Linie auf Unkenntnis, die man durch Aufklärung und Erfahrungen beseitigen könnte, sondern auf ökonomischen Interessen. Das Kapital kennt letztlich keine "soziale Verantwortung", sondern nur die Verantwortung gegenüber seinen Eigentümern und deren Renditen.
 
* Verbilligung der Ware Arbeitskraft
Hartz IV dient in erster Linie der Verbilligung der Ware Arbeitskraft mit Hilfe von Arbeitslosen und damit der Erhöhung von Profiten. Hartz IV ist staatlich organisiertes Lohndumping.
 
a) Je niedriger die Arbeitslosenunterstützung ist, desto mehr Angst haben Beschäftigte vor Arbeitslosigkeit. Das erhöht den Druck, dass sich Beschäftigte Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich beugen. Personalchefs "argumentieren" schon heute so.
 
b) Sozialhilfe definiert eine Art Mindestlohn, ein unteres Niveau der Tarife. "Jeder findet Arbeit, wenn man zulässt, dass der Lohn weit genug fällt, denn je weiter er fällt, desto attraktiver wird es für die Arbeitgeber, Arbeitsplätze zu schaffen, um die sich bietenden Gewinnchancen auszunutzen." (Sinn 2003, 93)
Das ist die herrschende Meinung in Deutschland und in der EU, wie man Arbeitslosigkeit beseitigen und "Vollbeschäftigung" herstellen kann.
Sozialhilfe und Tarifverträge aber lassen es nicht zu, dass die Löhne weit genug fallen. Also müssten abgeschafft oder zumindest stark gesenkt oder durchlöchert werden.
"Der Arbeitsmarkt ... wird heftig verzerrt durch Flächentarifverträge, vor allem aber durch die Sozialhilfe." (Sinn in FTD 29.01.2004)
Wenn der Markt "unverzerrt" wirken könnte, könnten die Löhne zu weit fallen, dass jede Arbeitskraft einen Käufer findet.
"So wie der Apfelpreis umso niedriger sein muss, je größer die Apfelernte ist, damit alle Äpfel ihre Abnehmer finden, muss auch der Lohn der Arbeitnehmer ... umso niedriger sein, je mehr es von ihnen gibt, damit keine Arbeitslosigkeit entsteht. ... Das ist eine bloße Beschreibung der Funktionsweise der Marktwirtschaft, die man akzeptieren muss, wenn man die Wirtschaftsform überhaupt will." (Sinn 2003, 177) D.h.: wer nicht akzeptiert, dass sein Lohn immer tiefer unter das Existenzminimum sinkt, will den Kapitalismus nicht, der eben nur so funktionieren kann. Sinn ist hier schon viel weiter als viele LohnarbeiterInnen.
Ihre Existenz von LohnarbeiterInnen ist tatsächlich bedroht, denn die Nachfrage des Kapitals nach Arbeitskraft nimmt im Zuge der rasanten technologischen Revolution tendenziell ab. Die Produktivität der LohnarbeiterInnen ist z.B. in Deutschland in den 90er Jahren um etwa 75% gestiegen. Das, nicht die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, ist der Hauptgrund für den rasanten Abbau von vollzeitbeschäftigten ArbeiterInnen.
Das gilt auch für die USA. In den letzten drei Jahren betrugen die Wachstumsraten 3-4%. Die Zahl der Beschäftigten dagegen sank. "Die überwiegende Zahl wurde einfach eingespart, Opfer des Produktivitätsfortschritts." (Der Spiegel 44/2004, 112) 2,8 Millionen ArbeiterInnen wurden überflüssig. Die Produktivität, angetrieben durch die Konkurrenz des Kapitals, nimmt auch zu, wenn das Lohnniveau erheblich niedriger ist als in Deutschland.
 
Folglich gibt es keine Schranke des Falls der Löhne und Sozialleistungen nach unten, es sei denn, wir erkämpfen sie, z.B. in Form von ausreichenden gesetzlichen Mindestlöhnen oder Mindesteinkommen für alle Erwerbslosen. Denn Arbeitslosigkeit, ein Produkt des technischen Fortschritts unter der Regie des Kapitals, zeigt für deren Vertreter immer nur an, dass Löhne, Sozialversicherungsbeiträge, Weihnachtsgeld, Urlaub und Sozialhilfe zu hoch sind. Das ist eben der Standpunkt der Käufer der Ware Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt.
 
Viele denken bei Sozialhilfe nicht an Mindestlohn, Tarifverträge und Existenzminimum, sondern an Florida-Rolf und Sozialschmarotzer. So wollen es Springer und Bertelsmann.
Es ist unsere Aufgabe, dagegen zu wirken. (vgl. Rainer Roth, Sozialhilfemissbrauch, Wer missbraucht eigentlich wen? Frankfurt 2004)
 
c) Die Bundesregierung hat nicht nur den Mindestlohn Sozialhilfe gesenkt, sie hat auch mit Hilfe der CDU Löhne für zumutbar erklärt, die bis zu einem Drittel unter Tarif liegen.
Das ermuntert Unternehmen, aus Tarifverträgen auszuscheiden, um sich um ein Drittel billigere Arbeitskraft einzukaufen. Ein massiver Angriff auf die Tarifverträge.
 
d) Sozialversicherungspflichtige, tariflich bezahlte Sozialhilfejobs werden mit Hartz IV abgeschafft. Sie werden durch Ein-Euro-Jobs, die erheblich ausgeweitet werden sollen. Das dient dazu, die Tarife im öffentlichen Dienst und bei Wohlfahrtsverbänden auszuhebeln.
 
Lohndumping mit Hartz IV wird als Fördern und Eingliederung in den Ersten Arbeitsmarkt vermarktet. Auch Ein-Euro-Jobs sind ja angeblich Förderinstrumente.
In Wirklichkeit geht es um die Verdrängung teurerer durch billigere Arbeitskraft. Lohndumping mit Hartz IV ist ein Mittel zur Steigerung von Profiten bzw. im staatlichen Einflussbereich Mittel zur Senkung von Personalkosten und Zuschüssen an soziale Einrichtungen und Wohlfahrtsverbände. Damit werden die Löcher teilweise gestopft, die durch die gewaltigen Gewinnsteuersenkungen gerissen wurden und noch werden.
 
 
IV)
Hartz Gesetze - Chance für Langzeitarbeitslose?
Hartz I hat die Schranken für die Ausdehnung der Leiharbeit niedergerissen und Personalserviceagenturen (PSA) geschaffen. Angeblich, um Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben.
Die PSA's waren ein Flop, wie die Financial Times sagt.
Leiharbeit dient von Hause aus nicht dazu, Langzeitarbeitslosen, also insbesondere älteren, schwerbehinderten oder gesundheitlich und psychisch beeinträchtigten Menschen eine Chance zu geben. Adecco und Randstad sind keine caritativen Unternehmen.
 
Hartz II hat die Minijobs in die Welt gesetzt, angeblich als Mittel, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. In Wirklichkeit werden Minijobs zum grössten Teil nicht von Arbeitslosen, sondern von RentnerInnen, Studierenden, Schülern, Hausfrauen usw. besetzt. Sie verdrängen Vollzeitbeschäftigte.
Auch die Ich-AG's sind letztlich nur zeitweise versteckte Arbeitslosigkeit und nicht der Weg in die Selbständigkeit. Deswegen wurden die Bezugsbedingungen der Fördermittel erheblich verschärft.
Jetzt gelten Ein-Euro-Jobs als der neueste Schrei der Chancen der Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Dabei hat doch schon die bisherige Gemeinnützige Arbeit gezeigt, dass davon keine Rede sein kann. Allenfalls 20%-30% der WohlfahrtsarbeiterInnen waren sechs Monate nach Beendigung der Maßnahme nicht mehr im Bezug.
 
Jede Aktivität kann neue Möglichkeiten und Chancen eröffnen. So auch Ein-Euro-Jobs. Sie können Arbeitslosen tatsächlich als Chance erscheinen. Aber insgesamt, d.h. nicht vom Standpunkt eines Individuums betrachtet, werden durch Ein-Euro-Jobs die Chancen anderer vermindert, eine Stelle anzutreten und ebenfalls die Chancen der Vollzeitbeschäftigten in den entsprechenden Bereichen vermindert, ihre Stellen zu behalten.
Ein-Euro-Jobs heizen einen Verdrängungswettbewerb an, in dem die Chancen der einen die Verringerung der Chancen der anderen bedeutet. Mit einer Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat das nichts zu tun. Während einige die Möglichkeit einer Chance bekommen, vermindern sich gleichzeitig insgesamt die Möglichkeiten, eine Chance zu erhalten, weil die Produktivität nachwievor zunimmt und die Krise der Staatsfinanzen auch.
Langzeitarbeitslose sind Menschen, die ausgegliedert wurden, weil sie zu alt oder zu krank, weil sie Frauen mit Kindern sind oder behindert oder zu wenig produktiv. Sie sind vom Kapital nicht ausgegliedert worden, um sie auf dem Umweg über Hartz wiedereinzugliedern.
 
Gerade weil sich Hartz IV gegen die LohnarbeiterInnen richtet, und nicht in erster Linie eine Chance ist, sind die Strafen ausgebaut worden, wenn man seine angebliche Chance nicht wahrnehmen will.
 
ALG II wird um 30% gekürzt, wenn Ein-Euro-Jobs abgelehnt werden (früher 25%). Sie wird um 30% gekürzt, wenn untertarifliche Arbeit abgelehnt wird (bislang nicht üblich) und wenn Minijobs angelehnt werden (bisher nicht üblich).
Der zu erwartende Widerstand gegen den Zwang, zu Armutslöhnen zu arbeiten, muss eben mit stärkeren Mitteln gebrochen werden.
 
Der Regelsatz wird ebenfalls um 30% gekürzt, wenn Eingliederungsvereinbarungen nicht abgeschlossen bzw. nicht eingehalten werden.
Ausgerechnet in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, in der die Zahl der Erwerbstätigen abnimmt und in der die "Ausgliederung" von LohnarbeiterInnen aus dem Erwerbsleben (und ihr Kampf dagegen) die Nachrichten bestimmt, soll es an den Ausgliederten selbst liegen, wenn sie Probleme bei der "Eingliederung" haben. Man hat sie angeblich nur noch nicht genug gefordert und in Billigjobs hineinge"fördert".
Hartz IV macht die Arbeitslosen selbst für ihre ALG verantwortlich. Aber sie sind es nicht.
 
V)
Hartz IV, der größte Sozialabbau der Nachkriegszeit, ist die Antwort des Kapitals auf die tiefste Krise der Nachkriegszeit
 
-> Überproduktionskrise seit 2001
Die Industrieproduktion ist zur Zeit immer noch niedriger als 2000, dem Höhepunkt des letzten Aufschwungs. Im Aufschwung waren gewaltige Überkapazitäten aufgebaut worden. Die Krise dauert schon drei Jahre und damit länger als jemals zuvor. Und es ist noch kein Ende abzusehen. Das Jahr 2004 wird einen Pleitenrekord bei Unternehmen sehen.
 
Die Überproduktion ist Folge der Produktivität unter Regie des Kapitals. Es sind zu viele Waren produziert worden, nicht zu wenig. Es ist zu viel investiert worden, nicht zu wenig. Die Krise brach trotz aller technologischer Innovationen aus.
In allen Bereichen sind gewaltige Überkapazitäten aufgebaut worden, nicht nur in der Automobilindustrie, auch bei Gewerbeimmobilien, im Einzelhandel usw.. Überkapazitäten sind weltweit aufgebaut worden. Und China geht mit gutem Beispiel voran, seine zukünftige Überproduktionskrise vorzubereiten.
 
Die Ursache der Krise besteht darin, dass die Eigentümer der Unternehmen in Konkurrenz zueinander stehen. Jeder strebt nach Profit. Der aber steckt in den Waren, die produziert werden.
Jeder versucht möglichst viel zu produzieren und hofft, dass der ihm letztlich unbekannte Markt die Firmenprodukte aufnimmt. Erst wenn der Markt sagt, ich kann nicht mehr, weiß man, dass man zuviel investiert hat und beginnt die Überkapazitäten wieder abzureißen. Das ist ein außerordentlich effizientes Wirtschaftssystem.
Überproduktion aufzubauen ist aufgrund der Eigentumsverhältnisse und der Produktion für Markt und Profit unvermeidlich.
Sie erscheint als Managementfehler, da immer einige Unternehmen hinter anderen zurückbleiben. Überkapazitäten werden nicht nur in Konkurrenz zueinander aufgebaut, sie werden auch in Konkurrenz zueinander abgebaut. Wenn aber Überkapazitäten aufgebaut sind, geraten vor allem die Konzerne und Unternehmen in die Krise, die im Vergleich zu ihren Konkurrenten die höchsten Produktionskosten haben. Aber irgendeiner hat immer die höchsten Produktionskosten und muss absteigen, so wie immer irgendein Fußballclub aus der Ersten Bundesliga absteigen muss.
 
Das Wirtschaftssystem verschleudert gewaltige Produktivkräfte. Es reißt in der Krise nieder, was es im Aufschwung aufgebaut hat. Und alle Mittel, aus der Krise herauszukommen (Innovationen, Kostensenkungen, höhere Produktivität usw.) bereiten letztlich die nächste Überproduktionskrise vor.
 
Falsche Wirtschaftspolitik?
Ursache der gegenwärtigen Krise ist auch nicht eine falsche Wirtschaftspolitik der Regierung. Krisen sind nicht durch eine "richtige" Wirtschaftspolitik oder durch einen Politikwechsel der Regierungsparteien vermeidbar.
Egal welche Partei mit welcher Wirtschaftspolitik: Krisen brechen unabhängig vom Willen der Manager und Politiker aus. Krisen im Rahmen eines Konjunkturzyklus können allenfalls abgemildert werden. Ein Mittel ist zum Beispiel der massive Ausbau der Staats-, Unternehmens- und privaten Verschuldung, wie in den USA.
Wirtschafts-Doping mit Krediten kann Krisen abmildern und sie vorzeitig beenden. Aber Kreditdoping verschiebt die Probleme nur in die Zukunft und bereitet nur noch größere Krisen vor. Kredite sind nicht nur ein Mittel, Krisen abzumildern. Sie fördern letztlich auch eine neue Überproduktion und bereiten Finanzkrisen vor.
 
Zu niedrige Löhne?
Es stimmt, dass in Krise der Widerspruch zwischen Produktion und mangelnder zahlungsfähiger Binnennachfrage zum Ausbruch kommt. Aber die Krise 1992/93 brach aus nach relativ hohen Lohnsteigerungen, ebenso die von 2001. Die Lohnsteigerungen waren Folge des Aufschwungs.
Aber auch wenn Löhne und Sozialleistungen 20% höher gewesen wären, wäre die Krise ausgebrochen. Nur eben später. Denn das Kapital treibt die Produktion immer an irgendeinem Punkt über die Binnennachfrage hinaus.
Es nützt auch wenig, dem Kapital zu predigen, dass es seine wahren Interessen noch nicht erkannt hätte, nämlich Löhne und Sozialleistungen zu erhöhen statt zu senken. Jedes Unternehmen wünscht sich hohe Kaufkraft, ist aber selbst nicht bereit, etwas dazu beizutragen, eben weil das seine Profitraten senkt. Karstadt bewältigt seine Krise nicht mit Lohnerhöhungen, sondern mit Lohnsenkungen.
 
Hauptproblem ist:
Das Kapital wird mit der Produktivität nicht fertig, die es selbst so energisch fördert. Es steht folglich selbst auf dem Prüfstand, nicht die Arbeitslosen, die dadurch produziert werden bzw. die LohnarbeiterInnen, denen dadurch die Entlassung droht.
 
-> Größte Finanzkrise der Nachkriegszeit.
Das Wirtschaftssystem produziert aber nicht nur überschüssige Arbeitskräfte, sondern auch überschüssiges Kapital.
Es fließt in Aktienspekulation, bis die Aktienblase platzt, in Immobilien, bis die Immobilienblase platzt, in Staatsanleihen, bis der Staatsbankrott naht sowie in die Verschuldung privater Haushalte, bis die Übeschuldung eintritt.
 
2003 hat das Bankgewerbe insgesamt zum ersten Mal in der Nachkriegszeit Verluste in Höhe von 3,7 Mrd. Euro ausgewiesen. (Neue Zürcher Zeitung 21.09.2004) Wir sehen die größte Finanzkrise der Nachkriegszeit.
Einerseits zurückzuführen auf die Überproduktionskrise, auf Pleiten und wachsende Unternehmensverschuldung, die die Rückzahlung der Kredite schwieriger macht.
2002 wurden Kredite im Umfang 32 Mrd. Euro, 2003 immer noch von 22 Mrd. Euro abgeschrieben, weil sie als nicht mehr rückzahlbar galten.
Andererseits darauf zurückzuführen, dass die Zinsen auf einem historischem Tief stehen, nicht zuletzt wegen des Überangebots an Kapital.
Die Überproduktion von Immobilien entlädt sich in einer Immobilienkrise und den entsprechenden Wertberichtigungen in den Bilanzen, vor allem der Banken.
Die Überproduktion im Immobiliensektor führte zur Krise der Bauindustrie, die schon seit vielen Jahren andauert und zur Halbierung der Zahl der Baubeschäftigten geführt hat.
 
Überproduktionskrise und Finanzkrise verbinden sich, machten die wahnhaften Hartz-Prognosen über die Halbierung der Arbeitslosigkeit bis 2005 zunichte und treiben die Arbeitslosigkeit auf neue Höchststände. Es ist ein unverschämtes Ablenkungsmanöver, in dieser Situation die angeblich mangelnde Arbeitsmotivation der Arbeitslosen in den Mittelpunkt zu stellen.
 
-> Tiefste Krise der Staatsfinanzen
Auf der Basis der Überproduktions- und Finanzkrise haben sich 2004 mit rd. 70 Mrd. Euro die höchsten Haushaltsdefizite der Nachkriegszeit entwickelt.
 
-> Tiefste Krise der Sozialversicherung
Dasselbe Schicksal erleidet die Sozialversicherung, vor allem die Arbeiterrentenversicherung. Heute werden 40% Arbeiterrenten vom Staat bezahlt, vor einem Jahrzehnt waren es erst 25%. Kein Wunder wenn immer mehr ArbeiterInnen in West und Ost überflüssig werden. Das, nicht die steigenden Lebenserwartung, die Arbeitgeberverbände und Regierung als Vorwand in den Vordergrund stellen, ist das Hauptproblem der Sozialversicherung. Die Hartz-Reformen schwächen die Sozialversicherungen noch mehr.
 
In der Krise seit 2001 sind die Profitraten des Kapitals erheblich gesunken. Ihr Niveau ist niedriger als in der letzten Krise 1992/93, und erst recht niedriger als in den 60er und 70er Jahren. (vgl. Rainer Roth, Nebensache Mensch, Frankfurt 2003, 218 ff.)
Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) weist aus, dass die Unternehmensgewinne der nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften 2002 um zehn Prozent höher lagen als im Aufschwungjahr 2000, die der Banken und Versicherungen dagegen um rd. zehn Prozent niedriger. Ist das nicht ein Widerspruch? Nein, denn:
"Die VGR berücksichtigt ausschließlich Wertschöpfungen, nicht hingegen Abschreibungen auf Forderungen und Umlaufvermögen, Verlustübernahmen und Gewinnabführungen oder Bewertungsveränderungen, die etwa bei Beteiligungen durch steigende oder fallende Aktienkurse zustande kommen." (Lorenz Jarass, Gustav Obermair, Geheimnisse der Unternehmenssteuern, Marburg 2004, 52) Die realen Gewinne sind also erheblich niedriger als die in der VGR ausgewiesenen Gewinne. Es wäre auch ein Wunder, wenn die Unternehmensgewinne trotz Krise munter weiter steigen.
 
Die Agenda 2010 ist der Versuch des Kapitals, sich selbst aus der Krise zu retten, indem es versucht, seine Profitraten auf unserem Rücken zu erhöhen.
Die Tiefe der Krise seit 2001 erklärt die Aggressivität der Angriffe. Die Agenda 2010 ist nicht ein politischer oder ideologischer Irrtum, kein Denkfehler, kein System- oder Paradigmenwechsel, sondern die aufgrund der konkreten wirtschaftlichen Lage richtige Antwort des Kapitals und seiner Parteien auf seine Probleme.
Wir sind dagegen, weil wir andere Interessen haben, nicht weil wir meinen, der Raubtierkapitalismus könnte sich bei gutem Zureden und wirkungsvollen Moralpredigten in einen Schmusekatzenkapitalismus verwandeln und das Kapital könnte sich endlich solidarisch mit denen zeigen, von deren Arbeit es lebt.
 
VI)
Alternativen
Das Kapital hat die Krise verursacht und versucht, die Folgen auf uns abzuwälzen. Dazu gibt es von seinem Standpunkt aus keine Alternative. Umgekehrt haben die Lohnabhängigen das Interesse, zu versuchen, die Folgen der Krise auf das Kapital selbst abzuwälzen.
Dazu gibt es wie der Frankfurter Appell gegen Sozial- und Lohnabbau richtig festgestellt hat, vom Standpunkt der LohnarbeiterInnen aus keine Alternative.
 
Es geht darum, unsere Interessen denen des Kapitals entgegenzustellen, nicht darum, seinen Vertretern zu erklären, wie die angeblich gemeinsamen Werte soziale Gerechtigkeit und Solidarität richtig ausgelegt werden müssen. Hier steht Interesse gegen Interesse.
Interessen zeigen sich in Forderungen.
 
a) Ausreichendes Grundeinkommen für alle Erwerbslosen oberhalb des Sozialhilfeniveaus
Alle die, die vom Kapital für überflüssig erklärt werden, brauchen ein Mindesteinkommen, das das Existenzminimum deckt. Es muss deutlich über der Sozialhilfe liegen, die in Westdeutschland für Alleinstehende etwa bei 650 Euro mtl. liegt. Denn mit Sozialhilfe ist noch zu viel Monat am Ende des Geldes übrig. Das zwingt zu Gesetzesverstößen, die fälschlicherweise als Missbrauch der Sozialhilfe bezeichnet werden. Aus diesem Grunde ist auch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe abzulehnen, die ja in den meisten Fällen deutlich über der Sozialhilfe lag.
Das Grundeinkommen muss es wie das ALG I ohne Bedürftigkeitsprüfung geben und ohne den Zwang, untertariflich oder unterhalb seiner Qualifikation zu arbeiten.
Ich denke an ein Grundeinkommen von 850 Euro plus Krankenversicherung. Diese Summe hat der DGB-Vorsitzende von Thüringen Frank Spieth gefordert. Diese Höhe müsste auch die Mindestrente für Alte Menschen und Voll Erwerbsgeminderte haben.
 
b) Gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von wenigstens zehn Euro
Das Kapital versucht mit Hartz IV, noch mehr die Lohnabhängige unter das Existenzminimum zu drücken.
Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn, der für alle Lohnabhängigen gilt. Forderungen müssen für alle Lohnabhängigen abgestellt werden, nicht nur für Angehörige einzelner Branchen. Jede/r Lohnabhängige braucht ein Existenzminimum zum Leben, nicht nur einige wenige.
Maßstab sollte m.E. die Pfändungsfreigrenze sein, die sich wiederum am Sozialhilfeexistenzminimum eines Erwerbstätigen orientiert. Sie beträgt in West und Ost etwa 940 Euro netto. Das war der Stand von 2001. Heute wären es rd. 1.000 Euro netto. Dieser Betrag ist bescheiden, denn es sind nicht nur die Kosten für Auto oder Urlaub nicht enthalten, nicht nur keine Rücklagen, sondern vor allem nicht die Kosten auch nur eines einzigen Kindes. Von Kindergeld allein kann kein Kind leben. 940 Euro netto wären mit etwa 9 Euro brutto erreicht. Der Frankfurter Appell gegen Sozial- und Lohnabbau fordert wenigstens zehn Euro die Stunde, ebenso viele Erwerbslosenorganisationen.
Ich möchte Sie bitten, den Frankfurter Appell zu unterschreiben.
 
c) Massive Arbeitszeitverkürzung
Die erheblich gestiegene Produktivität macht eine massive Arbeitszeitverkürzung möglich und notwendig. Arbeitsverlängerung vergrößert die Arbeitslosigkeit und dient nur der Anhebung der Profitraten.
 
d) Massiver Ausbau von öffentlichen Investitionen im Interesse der LohnarbeiterInnen
Notwendig wäre auch die Schaffung von Arbeitsplätzen aus öffentlichen Mitteln z.B. in Bereichen wie Soziales, Gesundheit, Pflege, Kultur, Umweltschutz, Bildung und Erziehung, Sport usw..
Hier hört man immer: Es ist kein Geld da.
 
Es ist kein Geld da
Die gewaltigen Steuerausfälle seit 2001 sind nicht in erster Linie auf den Einbruch der Konjunktur zurückzuführen, sondern auf die Steuerreform. Mit der Steuerreform wurde ab 2001 vor allem der Körperschaftssteuersatz der Kapitalgesellschaften von 40% (1998 noch 45%) auf 25% gesenkt. Der Spitzensteuersatz, den die Inhaber von Personengesellschaften und Selbständige zahlen müssen, sank von 48,5% (1998 noch 51%) auf 45% und wird ab 2005 auf 42% sinken. Außerdem wurde ab 2002 die Besteuerung von Veräußerungsgewinne von Beteiligungen abgeschafft.
Die jährlichen Steuerausfälle belaufen sich seit 2001 auf jährlich etwa 20 bis 25 Mrd. Euro.
 
Angeblich waren die Steuersenkungen notwendig, um den Kapitalgesellschaften Investitionen zu ermöglichen, mit denen sie Arbeitsplätze schaffen sollten. So dachten auch die Gewerkschaftsspitzen, als sie der Senkung der Gewinnsteuern zustimmten.
Die Investitionen der Kapitalgesellschaften fielen aber seit 2001 bis heute tief in den Keller. Sie hatten solche Überkapazitäten geschaffen, dass sie überhaupt kein Geld zum Investieren brauchten. Arbeitsplätze waren ebenfalls Fehlanzeige. Sie wurden abgebaut.
Die Kapitalgesellschaften nahmen die Geschenke dankbar an. Sie mussten keinerlei Rechenschaft ablegen, für was sie die Milliarden verwendet haben. Hier gab es keine Evaluation, kein Controlling und kein Profiling. Hier gab es nur fördern, ohne zu fordern.
Und kein Fallmanager überprüft die Verwendung der Mittel, ob sie tatsächlich der Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Ersten Arbeitsmarkt gedient haben.
 
Die Kapitalgesellschaften haben einen bedeutenden Teil der Mittel aus Steuersenkungen an ihre Aktionäre ausgeschüttet. 2001 waren es 14 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2000. Andererseits haben die Inhaber von Personengesellschaften die Steuergeschenke aus dem Unternehmen entnommen. Ausschüttungen und Entnahmen vermehrten den Kapitalüberschuss, der vom "Kapitalmarkt anschließend in andere Teil der Welt exportiert wurde, wo es (das Kapital) höhere Renditen abwirft als in Deutschland." (Sinn 2003, 321)
Die Steuerreform diente vor allem der Anhebung der Nettorenditen, weil die Bruttorenditen in der Krise gefallen waren.
Sie waren auch Subventionen, damit die Aktionäre ihre Verluste aus dem Aktiencrash auf Kosten der Lohnsteuerzahler und auch der Arbeitslosen ein bißchen wettmachen konnten.
Die Steuerreform hat den angegebenen Zweck nicht erfüllt, also muss rückgängig gemacht werden. Und zwar nicht nur auf 30%, wie das Arbeitnehmerbegehren der IG Metall verlangt, sondern auf den alten Stand. Gewinnsteuersenkungen sind für Lohnabhängige nicht akzeptabel.
 
Wie kann man den Sozialabbau bekämpfen und gleichzeitig Gewinnsteuersenkungen befürworten und sie noch als gerecht bezeichnen? Wie kann man Gewinnsteuersenkungen befürworten und gleichzeitig sich über mangelnde öffentliche Investitionen und der Verfall der Infrastruktur im Bildungswesen, Gesundheitswesen, Verkehrswesen usw. beklagen? Auch ein Spitzensteuersatz von 45% ist keine gerechte Einfachsteuer, wie Ver.di und attac behaupten.
 
Die bisherigen gewaltigen Gewinnsteuersenkungen sind nur ein Durchgangsstadium. Das Kapital verlangt die Abschaffung der Gewerbesteuer und die Senkung des Spitzensteuersatzes in Richtung von ebenfalls 25%. Weiterer Sozialabbau bei Arbeitslosen ist vorprogrammiert.
Umso notwendiger ist es, gegen Gewinnsteuersenkungen anzutreten.
Im übrigen ist es nicht unsere Aufgabe, Kapitalüberschuss und Kapitalflucht durch Steuererleichterungen und Steuergesetze noch zu fördern. In diesem Sinne kann man sagen: Geld ist genug da.
 
Steuerflucht ist heute normal. Viele Konzerne zahlen nur Steuern im Ausland, nicht in Deutschland, obwohl sie die Infrastruktur in Deutschland für ihre Profitzwecke nutzen. (Hans Weiss, Ernst Schmiederer, Asoziale Marktwirtschaft, Insider aus Politik und Wirtschaft enthüllen, wie die Konzerne den Staat ausplündern, Köln 2004) Sie verschieben eben die Gewinne in Länder mit niedrigeren Steuersätzen. Dem wäre ein Riegel vorzuschieben, wenn alle deutschen Staatsbürger bzw. in Deutschland beheimateten Unternehmen auch im Ausland nach deutschem Steuerrecht versteuert würden.
 
 
VII) An die Weltspitze kommen - die letzte Hoffnung
Hartz IV wird mit der Hoffnung vermarktet, dass es mehr Arbeitsplätze, mehr Wachstum und dadurch höhere Löhne und mehr Gewinnsteuern geben würde, wenn die Reformen greifen.
"Wir haben uns zum Ziel gesetzt, ... Deutschland zurück an die Weltspitze zu führen - ökonomisch, ökologisch und sozial." (Regierungserklärung FR 26.03.2004) Hartz IV, die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die Senkung des Sozialhilfeniveaus, die beschleunigte Produktion von working poor (d.h. arbeitenden Armen) usw. dienen der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Wettbewerbsfähigkeit ist nur ein anderes Wort für Profitraten. Das Thema ist von daher nicht dadurch erledigt, dass "wir" Exportweltmeister sind und uns deshalb schon das Diplom der Wettbewerbsfähigkeit über die Haustür hängen können.
Siemens hat nicht die Rendite von General Electric, ist deshalb nicht wettbewerbsfähig genug. Die Deutsche Bank hat nicht die Rendite der Citibank, ist von daher nicht wettbewerbsfähig genug usw.. Wettbewerbsfähiger wird man durch Steigerung der Profitraten, dadurch das das investierte Kapital immer höhere Prozente abwirft. Das war gemeint, als die EU-Regierungschef im Jahr 2000 in Lissabon beschlossen hatten, das die EU bis 2010 die wettbewerbsfähigste Region der Welt werden soll. Die Agenda 2010, von der Hartz IV nur ein kleiner Teil ist, ist eine Kampfansage an die USA, aber auch an uns. Denn die Konkurrenz wird geführt, in dem die Quelle, aus der das Kapital entspringt, die menschliche Arbeitskraft, noch stärker ausgebeutet wird.
Der Wettbewerb wird nicht zuletzt auch mit Entlassungen, mit der Steigerung der Produktivität geführt. Wer die wenigsten Arbeitskräfte beschäftigt und das meiste aus ihnen herausholt, setzt sich im Wettbewerb am ehesten durch und ruiniert den Konkurrenten. So sind die Ziele des Kapitals zu erklären, das Lohnniveau um 30% zu senken, die Flächentarifverträge und den Kündigungsschutz abtzuschaffen, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich auf 42 Stunden zu verlängern, das Renteneintrittsalter auf 69 oder 70 Jahre heraufzusetzen, die Urlaubsansprüche zu kürzen und die Sozialversicherung zu zerschlagen und durch staatlich subventionierte Privatversicherungen zu ersetzen.
 
In bezug auf ALG bedeutet "Wettbewerbsfähigkeit" stärken:
* ALG II ist ein Wettbewerbsnachteil, denn in USA gibt es für Langzeitarbeitslose gar nichts! ALG II muss von daher Schritt für Schritt abgebaut werden.
* ALG I ein Jahr zu zahlen ist ein Wettbewerbsnachteil, denn in GB wird nur ein 1/2 Jahr gezahlt, in den USA nur drei-sechs Monate.
* Die Höhe des ALG I ist ein Wettbewerbsnachteil, da in USA nur 30% des Nettolohns gezahlt.
 
Das Ziel der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit richtet sich gegen die Lohnabhängigen. Das gilt für alle Länder, in denen das Kapital herrscht.
Wir können auf dem Boden der Kapitalverwertung nur gewinnen, wenn andere verlieren und umgekehrt. Und "wir" können nur gewinnen, wenn wir selbst akzeptieren, zu verlieren. Aber jeder Kostenvorteil wird aufgefressen, wenn die Konkurrenz nachzieht. Dann geht der Tanz von vorne los. Wettbewerbsfähigkeit, d.h. Profitraten des Kapitals stärken, kann nicht unsere Losung sein.
 
Alle gemeinsam für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gegen andere Länder fördert Nationalismus. Alle fest für Deutschland zusammenstehen, obwohl die Mehrheit in Deutschland Opfer bringen soll, damit die Profite einer Minderheit in Deutschland steigen. Wer ist eigentlich Deutschland, die Mehrheit oder die Minderheit?
 
Es heißt, Nazis wären gegen Hartz IV. Das stimmt nicht. Sie sind gegen Ausländer, nicht gegen das Kapital und seine Profitinteressen.
Nazis fördern und verlangen Sozialabbau, Lohnsenkungen und Entlassungen. Das zeigt schon ein Blick in das Hitlerreich, das sie verehren. Sie schwächen die Kräfte, die gegen Hartz IV stehen, in dem sie gegen unsere ausländischen Kolleginnen und Kollegen und unsere ausländischen Nachbarn kämpfen, statt gegen die Verursacher von Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und Krise. Sie lenken ab. Das nützt den Herrschenden dabei, Hartz IV durchzusetzen.
Und auch die Nazis wollen Deutschland "wettbewerbsfähiger" machen und an die Weltspitze bringen. Allerdings im Alleingang in offener Feindschaft zu den USA, sowie zu Frankreich, Großbritannien usw., d.h. der EU. Das sind gewissermaßen traditionalistische Methoden, die die veränderten Kräfteverhältnisse auf der Welt nicht berücksichtigen. Das Ziel aber, Deutschland wieder an die Spitze zu bringen, ist dasselbe wie das der Bundesregierung. Deshalb haben Nazis auf unseren Demonstrationen gegen die Agenda 2010 nichts zu suchen.
 
LohnarbeiterInnen, ob beschäftigt oder nicht, müssen sich stärker zusammenschließen, weil ihre Existenz bedroht ist. Sie haben in allen Länder ähnliche Probleme. Sie müssen sich in nationalem und internationalem Maßstab stärker zusammenschließen.
Sie wehren sich zu Recht dagegen, dass ihre Zukunft in wachsender Verarmung bestehen soll, obwohl ihre Arbeitsproduktivität und der von ihnen erarbeitete Reichtum ungeheuer gestiegen sind.
 
In diesem Sinne wünsche ich dem 7. Erwerbslosenparlament einen guten Verlauf.

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Stand:12. Dezember 2012